Bauen, bauen, bauen!

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Wohnungsmangel ist ein sozialer Sprengstoff. Dieses Problem sollte die neue Bundesregierung schnellstens angehen. Darüber war man sich beim 16. Wohnungsbau-Tag einig. Neubauten sollten als Konjunkturmotor genutzt werden. Von einem „Aufschwung Wohnen“ von Schwarz-Rot war die Rede. Mit anderen Worten: Bauen, bauen, bauen!

Wo wollen wir wohnen, wie wollen wir wohnen, und vor allem: was können wir uns überhaupt leisten? Diese Fragen stellen sich immer mehr Menschen in Deutschland. Die Ampelregierung hatte beim Wohnungsbau viel versprochen, ihre eigenen Ziele aber weit verfehlt. Schwarz-Rot möchte es besser machen: Geplant sind u.a. ein „Bauturbo“, mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und eine Verlängerung der Mietpreisbremse. Auf dem Gipfel der Baubranche im April in Berlin richteten die Vertreter der sieben Wohnungsbau-Verbände ihre 100-Tage-Forderung nach einem „Aufschwung Wohnen“ an die neue Bundesregierung. Kernpunkt müsse eine Neubau-Offensive sein. Wie man die finanziell stemmen könne? Künftig einfacher und damit um bis zu einem Drittel günstiger bauen!

„Wir stehen vor einer Fülle an Herausforderungen“, so Prof. Dietmar Walberg, Leiter des schleswig-holsteinischen Bauforschungsinstituts ARGE, der eine neue Studie zum Wohnen vorstellte. Danach leben in Deutschland rund 9,6 Millionen Menschen in zu kleinen Wohnungen. Das sind rund 11 Prozent der Bevölkerung. „Es gibt ‚Zwangs-WGs‘ nach Scheidungen. Fremde wohnen unter einem Dach, die eigentlich nicht zusammenleben wollen. Junge Erwachsene ziehen wieder zu den Eltern zurück. Gerade in Großstädten hoppen viele von einer Untermiete zur anderen. Es gibt Menschen, die von einem Wohnen auf Zeit zum nächsten teuren möblierten Zimmer weiterziehen müssen“, sagte Arnt von Bodelschwingh. Der Leiter des Forschungsinstituts RegioKontext sieht die „kritische Infrastruktur Wohnen“ in Gefahr. Das Problem betrifft vor allem Großstädte wie Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt. Eine bauliche Nachverdichtung und die Innenentwicklung in Häusern und Wohnungen reichen zur Lösung des Problems nicht aus. Experten sehen die in einer Kostenreduzierung: „Bauen geht in guter Qualität auch deutlich günstiger als es heute passiert: 25 Prozent lassen sich beim Neubau von Wohnungen sparen. Genau darin liegt der Schlüssel für die ‚Mehr-Bau-Chance‘, die Deutschland dringend braucht. Im Idealfall lassen sich die Kosten sogar um bis zu einem Drittel reduzieren. Und dabei werden immer noch alle Standards und Vorschriften eingehalten: vom Lärm- und Brandschutz bis zu den Klimaschutzauflagen.“

Die Zielsetzung der letzten Bundesregierung war klar: Der Neubau von 400.000 Wohneinheiten pro Jahr, davon 100.000 als Sozialwohnungen. Mit dieser Zielmarke reagierte die Regierung auf die enorme soziale Sprengkraft, die Wohnungsnot und explodierende Mieten haben. Eine zentrale Frage auch für die neue Regierung lautet deshalb: Wie bekommt man die Wohnungsnot in den Griff? Die in der letzten Legislaturperiode ergriffenen Maßnahmen führten nicht zu mehr Wohnungsbau, stattdessen stürzte der Wohnungsbau ab. Die Bauämter hatten 2024 nur noch knapp 216.000 neue Wohnungen genehmigt, ein Rückgang von 43 Prozent in den nur 3 Jahren der Ampel-Koalition. Eine zusätzliche Belastung der Mietwohnungsmärkte resultiert aus dem Einbruch beim Neubau-Wohneigentum. In vielen Regionen wächst die Bevölkerung deutlich schneller als die Zahl der Wohnungen. Nachdem bis 2021 die Fertigstellungen kontinuierlich auf bis zu 305.000 Wohneinheiten pro Jahr gesteigert wurden, gab es 2024 nur noch 250.000 neu gebauten Wohnungen. Der dramatische Einbruch der Baugenehmigungen wurde noch durch den hohen Bauüberhang abgefedert. Für 2025 werden noch weniger Fertigstellungszahlen erwartet. Die Hauptursachen für den Absturz in den letzten drei Jahren liegen – neben den gestiegenen Baukosten – in einem Nicht-Reagieren auf den Zinssprung der Kapitalmärkte mit vergünstigten Zinsen, wie dies zum Teil im europäischen Ausland geschah. Die Experten zogen als Fazit aus der aktuellen Wohnungsbau-Politik: Die Förderprogramme sind zu komplex. Um gefördert zu werden, muss man Mehrkosten in Kauf nehmen, die am Ende gerade einmal durch die staatlichen Mittel kompensiert werden. Diese Förderpolitik führt nicht dazu, dass die Eigenkapitalsituation privater und institutioneller Investoren verbessert wird. Bauvorschriften und Förderprogramme haben die Flut an Vorschriften weiter anschwellen lassen. Außerdem gelang es nicht, die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse pragmatisch und unkompliziert voranzubringen. Schon auf dem Wohnungsbau-Tag 2024 hatte das Bündnis der Verbände vor dem drohenden Kipp-Punkt beim Wohnungsbau gewarnt und auf seine gesamtwirtschaftliche Bedeutung hingewiesen. Nach ihrer Ansicht sei ein stabiler, funktionierender Wohnungsbau in der Lage, den Konjunkturmotor anzuwerfen. Bezahlbares Wohnen sei zudem eine Grundvoraussetzung dafür, die dringend benötigten Fachkräfte für den Arbeitsmarkt zu gewinnen.

Fünf Punkte für eine Trendwende im Wohnungsbau

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Die sieben Verbände, die seit 16 Jahren den Wohnungsbau-Tag durchführen, fordern eine zeitnahe und entschiedene Umsetzung der Vorhaben der neuen Bundesregierung. Der Wohnungsbau sollte eine bedeutende Rolle im 100-Tage-Programm spielen, seine Förderung ausgeweitet sowie das kostengünstige Bauen erleichtert werden. Um eine Trendwende im Wohnungsbau zu bewirken und seine Kraft für ein fundiertes Wachstum in Deutschland zu nutzen, unterbreiten die Verbände mehrere Vorschläge:

Der Staat als Konstante beim Wohnungsbau durch verlässliche Mittel, Anreiz-Zins und Verlässlichkeit bei der Förderung: Mit Blick auf die aktuelle Zins- und Kostenentwicklung sollte der Bund jetzt mit einer Offensive für soziales und bezahlbares Bauen und Wohnen reagieren und den Wohnungsbau mit Mitteln absichern, die nicht dem jährlichen Haushaltsprozedere unterworfen sind. Mit anderen Worten: kein Wohnungsbau nach schwankender Kassenlage, denn der Wohnungsbau gehört zur Daseinsvorsorge und ist damit Teil der Infrastruktur. Unwägbarkeit von Entwicklungen auf den Finanzmärkten sollte der Staat mit einem Zinsverbilligungs-Programm auffangen. Ziel muss dabei der 1-Prozent-Zinssatz sein und eine Beschränkung der Miethöhe. Es ist erforderlich, Förderprogramme so zu konzipieren, dass sie für private und institutionelle Investoren verlässlich sind und ihnen Kalkulationssicherheit bieten.

Breiten-Förderung und Senkung der Baukosten: Deutschland hat beim Wohnungsbau kein Qualitäts-, sondern ein Quantitäts-Problem. Um bezahlbaren Wohnungsbau kurzfristig zu ermöglichen, müssen sofort alle Möglichkeiten zur Senkung der Herstellungskosten eingesetzt werden. Regelstandards sollten die neue Messlatte legen: Die Bauvorschriften einhalten, sie aber nicht länger überziehen. Also gut und trotzdem günstiger bauen. Das muss auch bei der Wohnungsbau-Förderung deutlich werden. Statt nur die Mehrkosten für eine höhere Qualität zu übernehmen, muss die staatliche Förderung künftig das Ziel verfolgen, mehr soziale und bezahlbare Wohnungen zu schaffen: also Quantität und angemessene – nicht überzogene – Qualität fördern. Dafür sind bauliche Standards notwendig, wie sie in Schleswig-Holstein mit dem „Regelstandard ‚Erleichtertes Bauen‘“ und jüngst mit dem „Hamburg- Standard“ erarbeitet wurden – sowohl für Flächenländer als auch für Ballungsräume pragmatisch anwendbar. Darüber hinaus fordern die sieben Partner im Verbändebündnis Wohnungsbau, die Vorschriften beim Wohnungsbau auf nationaler Ebene nicht weiter zu verschärfen: Überlegungen, Neubaustandards weiter nach oben zu schrauben, erteilt das Wohnungsbau-Bündnis eine klare Absage. Die neue Regierung ist gefordert, jeder Gesetzesinitiative, die das Ziel hat, kostentreibende Verschärfungen beim Wohnungsbau durchzusetzen, entschlossen entgegenzutreten. Alle bestehenden Förderungen – egal, ob über Darlehen oder steuerlich, die auf EH 40 und QNG-Zertifizierung abstellen, sind kurzfristig anzupassen.

Bundesstatistik der Baubeginne: Die Realisierung von Wohnungsbau erfordert viel Zeit, ob in der Planung, bei Genehmigungsprozessen, bei der Realisierung und bei der Vermarktung. Erteilte Baugenehmigungen gelten in der Regel fünf Jahre. Sie fordern von privaten und institutionellen Investoren Flexibilität: Auf sich ändernde ordnungsrechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen müssen die Bauherren flexibel reagieren. Von daher sind weder Baugenehmigungen noch Baufertigstellungen als Erfolgsindikator geeignet. Um den Effekt, den die aktuelle Wohnungsbaupolitik hat, zu ermitteln, ist es daher sinnvoll, zusätzlich auf eine andere Statistik zu setzen: auf die der Baubeginne. Dies geschieht bereits in 15 von 16 Bundesländern und sollte künftig auch als Bundesstatistik geführt werden. Damit stünde der Regierung ein Instrument zur Verfügung, das ihr die Auswirkungen der aktuellen Wohnungsbaupolitik spiegelt. Die ständig abrufbare Zahl der Wohnungen, mit deren Bau begonnen wurde, erlaubt eine zeitnahe Korrektur der Wohnungsbaupolitik.

Aufwertung des Bau-Ressorts: Wichtig ist, ein künftiges, für den Wohnungsbau zuständiges Bundesministerium zu stärken. Dazu müssen die wichtigen Bereiche Modernisierung und Neubau im Hochbau in einer Verantwortung liegen. Eine Trennung bei der Verantwortung für den Wohnungsbau und für den Klimaschutz im Gebäudebereich darf es nicht geben.

Kostenreduktion durch Ermäßigung des MWSt-Satzes nutzen: Die Verbände fordern für den sozialen Wohnungsbau die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes, am besten des 0,0-Prozent-Steuersatzes – bei vollem Vorsteuerabzug für das Baugewerbe. Das muss ohne eine Reduzierung der bestehenden direkten Fördermittel erfolgen. Diese Maßnahme bewirkt, dass durch die Kostenreduktion deutlich mehr Wohnraum entstehen kann.

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