Eine Powerfrau ist die neue Chefin der Handwerker

Die neue Cefin der Handwerkskammer Berlin Carola Zarth - Foto: Marie Staggat

Im Mai wurde eine neue Spitze der Handwerkskammer Berlin gewählt. Erstmals in der Geschichte Berlins ist eine Frau Präsidentin: Carola Zarth, 53 Jahre alt und Chefin einer Kfz-Werkstatt in Charlottenburg. Welche Pläne sie für die kommenden fünf Jahre hat und welche Außenwirkung ihre Wahl ihrer Meinung nach hat – darüber sprachen wir mit der neuen HWK-Präsidentin.

Frau Zarth, was war Ihre erste Amtshandlung in Ihrer neuen Position?
Meine erste Amtshandlung als Präsidentin der Handwerkskammer Berlin war ein sehr erfreulicher Termin: Und zwar durfte ich die Ergebnisse unserer diesjährigen Frühjahrs-Konjunkturumfrage vorstellen. Und auch wenn wir nicht alle Rekorde vom letzten Jahr knacken konnten, gab es dennoch wieder viel Positives aus dem Berliner Handwerk zu berichten. Den befragten Betrieben geht es zurzeit gut – aber natürlich gibt es auch noch Luft nach oben.

Sind Sie mit einer besonderen Mission, die Sie erfüllen möchten, zur Wahl angetreten oder konnten Sie „nicht Nein sagen“?
Klar hätte ich auch „Nein“ sagen können, aber ich habe die Präsidentschaft der Handwerkskammer Berlin bewusst angestrebt und übernommen, um die Möglichkeit zu nutzen, etwas für das Berliner Handwerk zu bewegen. Dabei habe ich auch eine „besondere“ Mission für meine Arbeit – mit folgenden drei Schwerpunkten: Erstens: Wir brauchen dringend junge Menschen, die neugierig und offen für eine Ausbildung im Handwerk sind. Zweitens: Wir benötigen dringend – quer durch alle Gewerke – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und last but not least: das Thema Gewerbeflächen! Klar brauchen wir in Berlin dringend Wohnungsneubau, damit unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch wir nicht nur in Berlin arbeiten, sondern auch weiterhin hier leben und wohnen können. Aber ich werde in Zukunft immer wieder für das Thema Gewerbeflächen eintreten. Denn die Handwerksbetriebe sind teilweise seit Jahrzehnten fester Bestandteil ihres Bezirks, ein Teil vom Kiez, und das Thema Nachfolge in den Betrieben ist oft auch ein Thema der Standortfrage und der Gewerbemiete.

Glauben Sie, dass Sie als erste Frau auf diesem Posten unter besonderer Beobachtung stehen, und wird Ihre Wahl Auswirkungen darauf haben, dass sich mehr weibliche Mitstreiterinnen für die sogenannten „Männerberufe“ interessieren?
Es kann sein, dass ich als erste Berliner Handwerkspräsidentin unter besonderer Beobachtung stehe – zumindest gibt es ein großes Interesse. Das freut mich und ich hoffe sehr, dass meine Wahl ein positives Zeichen und auch ein Signal an alle Frauen ist, dass ein Beruf im handwerklichen Bereich spannend und erfüllend sein kann.

Schon jetzt gibt es viele Berufe im Handwerk, die für Frauen attraktiv sind: In Berlin gibt es zum Beispiel viele Tischlerinnen. Aber dort, wo es körperlich anstrengend ist, gibt es ganz klar weniger Frauen. Das ist zum Beispiel bei den Gerüstbauern der Fall. Aber ich will und werde Frauen immer wieder ermutigen, sich die sogenannten „Männerberufe“ genau anzusehen und eventuell auch eine ungewöhnliche Berufswahl zu treffen.

Auch Sie sind ja eher in einer klassischen Männerdomäne zu Hause, wollten Sie diesen Beruf schon immer ergreifen oder was hat dazu geführt?
Einen festen Plan hatte ich nicht – wer hat das schon als junger Mensch? Ich bin überzeugt davon, dass sich der eigene Weg erst nach und nach im Laufe der Ausbildung und durch die eigenen Erfahrungen entwickelt. Anfangs hatte ich nur eine vage Vorstellung, die dann über die Jahre konkreter wurde. Den elterlichen Betrieb zu übernehmen und zu leiten war also für mich auch nicht von Beginn an klar – ich wollte meinen eigenen Weg finden. Erst später hat sich der Gedanke gefestigt und über diese Entscheidung bin ich jetzt sehr froh: Sie war goldrichtig!

Würde es Ihrer Meinung nach helfen, schon die Mädchen in der Schule mehr an Handwerkliches heranzuführen?
Unbedingt! Ich bin der festen Überzeugung, dass es ein großer Fehler ist, dass die jungen Menschen, Mädchen und Jungen, in der Schule nicht mehr an praktische und handwerkliche Tätigkeiten herangeführt werden. Leider wurde der Werkunterricht an Berliner Schulen größtenteils abgeschafft. Wenn Sie mich fragen, ist das eine große vertane Chance! Werkunterricht könnte den Schülerinnen und Schülern bei der Berufsorientierung helfen. Viele Jugendliche haben ja heute große Probleme bei der Berufswahl. Sie probieren viel aus, beginnen unterschiedliche Studiengänge und brechen wieder ab. Dass eine Ausbildung im Handwerk vielleicht eine größere Genugtuung bringen könnte, als in überfüllten Hörsälen zu sitzen, auf die Idee kommen die meisten gar nicht. Und das ist ein Dilemma!

Thema Gleichstellung im Handwerk. Wahrscheinlich sind Sie damit nicht zufrieden. Haben Sie dafür schon eine „Patentlösung“?
Wenn es eine einfache Lösung dafür geben würde, hätten wir wohl das Problem nicht mehr. Aber schauen Sie: Mein erster Aufschlag im Berliner Handwerk war 1991 die Gründung des Vereins „Unternehmerfrauen im Handwerk“. Die Idee dabei war eine Vernetzung aller Gewerke. Und das war und ist für mich von Anfang an der größte Antrieb! Denn ich bin fest davon überzeugt: Das Handwerk ist am stärksten im Team. Die Herausforderungen der nächsten Jahre, und da zähle ich das Thema Gleichstellung hinzu, werden wir nur gemeinsam als Berliner Handwerk meistern können: mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Handwerkskammer, den Mitgliedern der Vollversammlung, unabhängig ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, den Mitgliedsbetrieben und den Innungen. Und ich werde nicht müde, diese Teamleistung immer wieder einzufordern. Wir müssen gemeinsam für das Berliner Handwerk arbeiten, kämpfen und auch mal streiten. Aber wir sind Handwerkerinnen und Handwerker, wir können das!

Ein ganz großes Problem, egal ob weiblich oder männlich, ist der Mangel an Nachwuchs. Gibt es dazu von Ihrer Seite aus schon Pläne, diesen Missstand zu verbessern?
Wir haben nicht nur Pläne, sondern wir sind auch schon fleißig dabei, diese umzusetzen. So versuchen wir z. B. unseren Betrieben die notwendigen Hilfen an die Hand zu geben, Nachwuchs zu finden – sei es durch unsere Ausbildungsbörsen oder das Berufsabitur, das es seit dem vergangenen Jahr in Berlin gibt. Innerhalb von vier Jahren erwerben junge Leute dabei das Abitur sowie den Gesellenbrief im Beruf Anlagenmechaniker/-in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Das ist ein attraktives Angebot, auf dem wir weiter aufbauen wollen.

Schon seit zehn Jahren engagieren wir uns aktiv in der Imagekampagne des Deutschen Handwerks. Und in diesem Zusammenhang haben wir seit Anfang 2019 eine Kooperation mit der Alba Berlin Grundschulliga im Basketball, wo wir versuchen, Grundschülerinnen und Grundschüler ganz gezielt für das Handwerk zu begeistern und Berufsorientierung zu leisten. Ähnlich wie mit unserem Projekt „Berliner Schulpate“, wo wir Betriebe in die Berliner Schulen schicken, um so früh wie möglich den jungen Menschen zu vermitteln, was das Handwerk ist.

Aber das sind natürlich Anstrengungen, deren Resultate nicht sofort sichtbar sind, sondern erst in ein paar Jahren.

Letzte Frage an Sie: Natürlich darf auch ein bisschen persönliches Kennenlernen nicht fehlen. Gibt es neben Ihrem Beruf, der jetzigen Präsidentenrolle und anderen Verpflichtungen auch Hobbys oder andere Dinge, die Ihnen in Ihrer Freizeit Freude machen und bei denen Sie entspannen können?
Vor ein paar Jahren habe ich in einem anderen Interview mal gesagt: „Andere gehen joggen, ich gehe Ehrenamt.“ (lacht) Aber das hat vermutlich auch damit zu tun, dass ich ein echter Sportmuffel bin. Mein Mann und ich reisen sehr gern und wir versuchen, uns dafür 1–2 Mal im Jahr die Zeit zu nehmen.

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