
„Palim, palim“ und die „Kuh Elsa“ – das sind untrennbar mit Dieter Hallervorden verbundene Humor-Evergreens – und ein Evergreen ist der Berliner, der am 5. September seinen 90. Geburtstag beging, auch selbst. Gefeiert hat der Hausherr des Schlosspark Theaters dies natürlich auf der Bühne … wo auch sonst?!
An diesem Tag hatte „Der eingebildet Kranke“ nach Moliere und in eigener Bearbeitung Premiere und läutete die 17. Spielzeit ein. „Ich spiele darin mit unserer Zeit“ sagte er schelmisch grinsend. „Es gibt keine Zweitbesetzung für das Stück – falls mir etwas zustößt …“
Geboren wird Dieter Hallervorden am 5. September 1935 in Dessau, dort macht er mit 17 Jahren Abitur. Anschließend studiert er Romanistik an der Humboldt Uni – im sogenannten „demokratischen Sektor“ von Berlin. Kurz vor dem Bau der Mauer kommt der Wechsel nach West-Berlin, an die Freie Universität. Hier entdeckt er die Lust an der Schauspielerei, fällt aber erst einmal durch die Aufnahmeprüfung. Beim zweiten Anlauf hat er es zwar geschafft, aber das Studium abgebrochen und gleichzeitig das Kabarett „Die Wühlmäuse“ gegründet, mit 25 Jahren. „Das lag insofern nahe, weil ich ja an sich Auslandskorrespondent werden wollte und hier im Kabarett hatte ich die Möglichkeit, sowohl zu schreiben als auch politische Meinung zu vertreten – und zu spielen“, erinnert sich Hallervorden.

Nach beschwerlichem Start sind Hallervordens „Wühlmäuse“ auch fürs Fernsehen interessant: Anlässlich der Funkausstellung 1963 beauftragt die ARD das Ensemble, ein funk- und fernsehbezogenes Programm auf die Beine zu stellen. Dieter Hallervorden nimmt den Auftrag gerne an, wird aber nach einem umstrittenen politischen Sketch aus dem Programm genommen. Das führt dazu, dass er über einige Jahre hinweg in keinem Rundfunk- und Fernsehsender beschäftigt wurde. Aber er spielt weiter, politisches Kabarett bei seinen „Wühlmäusen“. Schließlich war er nicht aus der DDR geflohen, um sich in West-Berlin einen Maulkorb verpassen zu lassen. In dieser Zeit wechselte er vom politischen Kabarettisten zum Komiker: „Nonstop – Nonsens“ und „Abramakabra“ sind Zeugnisse davon. In den 1970er Jahren fand er dann doch sein neues Zuhause im Fernsehen. Denn dort erfindet sich der Schauspieler neu, wird Fernsehstar und Clown „DIDI“ – der durch einen Zufall entstanden sei. „Als ich dieses „Nonstop Nonsens“ Programm bei den „Wühlmäusen“ machte, hatten wir gedacht: Ach, wir spielen das so Freitag, Samstag nachts einfach als Erholung, um lustig auf den Pudding zu hauen. Und es entwickelte sich ein Riesenerfolg daraus.“ „DIDI“ brachte ihm breite Popularität, die er auch fürs Kino nutzte: „Ach du lieber Harry“, „Der Doppelgänger „oder „Der Experte“ lockten Zuschauermassen ins Kino. Eine weitere Erfolgslawine tritt Hallervorden mit seinen musikalischen Parodien los. Mit Helga Feddersen singt er 1978 z. B. „Du, die Wanne ist voll“. Das Duett erklimmt damit sogar den vierten Platz der Hitparade. Etliche Alben bringt Hallervorden zwischen 1976 und 1984 heraus. Die meis-
ten davon mit Bezug auf seine „DIDI“-Rolle und Titeln wie „Ich bin der schönste Mann in unserer Mietskaserne“. Die Rückkehr zu den Wurzeln des ernsthaften Kabarettisten gelang ihm dann mit den TV-Serien „Spottschau“ und „Spott Light“ – letztere lief sehr erfolgreich ab 1994 zehn Jahre lang im Ersten.
Hallervorden sagt von sich, er habe viele Schwächen, aber einen sehr, sehr starken Willen. Und einen langen Atem: ein bestimmtes Ziel verfolge er auch sehr hartnäckig…. Und das hat sich ja da und dort, beruflich jedenfalls, als richtig erwiesen. Obwohl er schon vor Jahrzehnten allerlei Fernsehpreise erhielt, war der Deutsche Filmpreis, den er 2014 für seine Rolle als alternder Marathon-Läufer Paul Averhoff in „Sein letztes Rennen“ gewann, die höchste Auszeichnung seiner Karriere. Er sagte damals: „Für mich bedeutet der Preis eine große Genugtuung. Er ist eine saftige Ohrfeige für all jene Möchtegern-Kritiker, die mich als Komödianten jahrzehntelang abgewatscht haben, weil sie nicht erkennen konnten, wie viel Begabung dazu gehört, etwas Schweres leicht darzustellen.“
Letzteres hat er fulminant im Jahr 2014 erschienenen Kinofilm zum Thema Alzheimer „Honig im Kopf“ gezeigt, der es auf 7 Mio. Besucher brachte und ein Riesenhit an der Kinokasse war.
Sechs Jahre zuvor hat Hallervorden das Steglitzer Schlosspark Theater übernommen und auf eigene Kosten saniert. Vielleicht auch, weil er speziell dort als junger Schauspielschüler oft selbst im Zuschauerraum saß. Er hat dabei ein klares Konzept vor Augen: „Geist mit Humor“, d.h., man kann sicher sein, dass man nicht unter seinem Niveau unterhalten wird. Zudem sorgt Hallervorden von Anfang an dafür, dass sich die Kosten der Spielstätte im Rahmen halten: Er verzichtet auf ein festes Ensemble, sondern setzt auf Freunde und aus dem Fernsehen bekannte Kollegen, mit denen er gern und regelmäßig zusammenarbeitet. Sein Theater erfülle ihn mit großer Lebensfreude: „Ich bin mir bewusst, dass das Theater ja die Keimzelle unseres Berufes ist, und dass ich da spielen darf, dass ich mich in dem hohen Alter noch mehr als drei, vier Leute auf der Bühne sehen wollen (…), das verwundert mich und erfüllt mich jeden Tag, wenn ich spiele, mit neuer Lebensfreude.“
Getreu seinem Lebensmotto „Ich will und ich kann“ steht er im kommenden Frühjahr schon wieder auf „seiner“ Bühne – in „Zwei wie Bonnie und Clyde“.