“Alles im Fluss – Vom Bewahren und Gestalten“

Fotos: BSW/Yehuda Swed

Über die 9. Berliner Stiftungswoche vom 17. bis zum 27. April 2018

Welche die älteste Berliner Stiftung ist? Mit 225 Jahren eine der ältesten ist die Koepjohann’sche Stiftung eines kinderlosen Reederpaares am Schiffbauerdamm, die sich früher um „Witwen und Waisen der Spandauer Vorstadt“ und heute um obdachlose Frauen kümmert, berichtet Stefan Engelniederhammer von der Berliner Stiftungswoche. Er war im Januar bei einer Vorstandssitzung von Koepjohann, dem jüngsten Mitglied in der Berliner Stiftungsrunde, zu Gast und kennt sich bestens aus in der Stiftungslandschaft. Seit 2012 organisieren er und sein Team die Berliner Stiftungswoche. 2018 findet der Veranstaltungsmarathon zum neunten Mal statt. Nach „Vom Leben in der Stadt“ und „Was uns zusammenhält“ lautet das Schwerpunktthema diesmal „Alles im Fluss – Vom Bewahren und Gestalten“. In diesem Spannungsfeld finden sich fast alle Stiftungen wieder. „Es geht bei unserer Plattform für offensive Debatten darum, warum man Veränderungen mit gelassener Zuversicht begegnen sollte. Rund 100 Stiftungen werden sich wieder beteiligen“, verrät Stefan Engelniederhammer. Tragender Kern des Ganzen ist die Berliner Stiftungsrunde, ein Netzwerk aus 32 sehr unterschiedlichen Stiftungen. Neben großen namhaften Unternehmensstiftungen finden sich in diesem Kreis kleinere Stiftungen, die ganz besonders zum Profil der Runde beitragen, so wie beispielsweise die Björn Schulz Stiftung. Diese betreibt in Pankow das Kinderhospiz Sonnenhof und leistet eine unverzichtbar wichtige Arbeit, indem sie Familien in schwersten Schicksalssituationen beisteht. Auch die Bürgerstiftung Berlin ist aktiv dabei. Sie setzt sich für Berlin und seine Bewohner ein. Ihr Modell beinhaltet, dass man gar nicht selbst eine Stiftung gründen muss, wenn man der Gesellschaft etwas hinterlassen möchte. Ein weiterer wichtiger Akteur ist das Evangelische Johannesstift Spandau mit seiner vielfältigen Struktur, die von der Wiege bis zur Bahre alles abdeckt.

Mehr Vernetzung und bessere Sichtbarkeit der Stiftungen

Arne Friedrich auf dem Stiftungsfest 2016 im Gespräch mit Erich Steinsdörfer (re.), Deutsches Stiftungszentrum

Die Vernetzung untereinander ist eines der Hauptziele der jährlichen Stiftungswoche: „Die großen Stiftungen bieten den kleineren eine Plattform, damit man sich kennenlernen und austauschen kann. Der zweite Grundgedanke ist, das große Engagement der Stiftungen besser sichtbar zu machen. Scheinwerfer an und Türen auf, um die Bevölkerung einzuladen, sich mal die Stiftungen im eigenen Kiez anzuschauen.“ Die Stiftungswoche verfolgt ein dezentrales Prinzip. „Das bedeutet, dass jede Stiftung eigene Veranstaltungen ins Programm einbringt. Das können eine Podiumsveranstaltung, ein Tag der offenen Tür, ein Kinderfest, eine Filmvorführung oder ein Konzert sein. So könnte man, wenn man genug Zeit hätte, an den elf Tagen durch ganz Berlin fahren und täglich mehrere Veranstaltungen besuchen.“ Die Erfinder der Stiftungsrunde waren inspiriert von der „Langen Nacht der Museen“, „die auch das Prinzip verfolgt, dass die Menschen dahin gehen, wo die Dinge präsent sind.“ Eine Woche reichte dafür nicht aus? „Bei uns sind es statt einer Nacht nun elf Tage geworden. Wir starten immer an einem Dienstag im April“, so Stefan Engelniederhammer, „um bewusst das Wochenende mitzunehmen. Das ist zum Beispiel für Kinderfeste sehr gut geeignet. Und in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die auch von einer Stiftung getragen wird, findet zu unserem Schwerpunktthema am Sonntag wieder ein Gottesdienst statt. Danach haben wir noch mal eine komplette Woche mit fünf Werktagen.“ Durchschnittlich 14.000 bis 15.000 Besucher kamen in den vergangenen Jahren zu den rund 100 Veranstaltungen. Manche Stiftungen richten zudem Ausstellungen aus, die teilweise bereits vorher beginnen oder länger gehen.

Auftakt im Allianz Forum, große Stiftungsrede und Dankeschön-Veranstaltung

Altbischof Wolfgang Huber hielt 2017 die Berliner Stiftungsrede

Nach Jahren mit Christina Rau als Schirmherrin übernimmt Daniela Schadt dieses Jahr dieses Amt und wird bei vielen Veranstaltungen dabei sein. Höhepunkte der Stiftungswoche 2018 sind neben dem Gottesdienst in der Gedächtniskirche drei zentrale Veranstaltungen, die das Büro der Berliner Stiftungswoche organisiert. Die Auftaktveranstaltung im Allianz Forum am Pariser Platz soll die Gäste als offene Diskussion neugierig machen und eher Fragen aufwerfen. „Anders als bei Maischberger oder Anne Will sitzen da nicht nur die fünf Diskutanten. Stattdessen gibt es in jeder unserer Diskussionsrunden einen freien Platz für jemanden aus dem Publikum“, so Stefan Engelniederhammer. Moderieren wird nach Jörg Thadeusz in den Vorjahren erstmals die Journalistin Andrea Thilo. „Unsere Flaggschiff- Veranstaltung ist die große Berliner Stiftungsrede, für die wir immer eine Persönlichkeit bitten, sich mit unserem Schwerpunktthema auseinanderzusetzen.“ Diese Rede soll Impulse in die Stiftungswelt hinein geben und gleichzeitig für die Öffentlichkeit aufzeigen, was Stiftungen vielleicht anders machen können als Staat und Privatwirtschaft. Das sei in den vergangenen Jahren sehr gut gelungen, freut sich Stefan Engelniederhammer. „Die Rede von Altbischof Wolfgang Huber 2017 war ein rhetorischer Hochgenuss!“ 2016 sprach der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio zur „Würde des Menschen“, ebenfalls „ein intellektuelles Highlight, bei dem man eine Stecknadel hätte fallen hören können.“ 2018 darf man gespannt sein auf die Rede von Jutta Allmendinger, der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Erwähnt sei auch die zentrale Dankeschön-Veranstaltung für die Stiftungsmitarbeiter, zu der schon prominente Sportler kamen, wie der Fußballer Arne Friedrich, der selbst eine Stiftung gegründet hat.

„Die Vernetzung untereinander ist eines der Hauptziele der jährlichen Stiftungswoche“ – Stefan Engelniederhammer

Stiftungshauptstadt Berlin?

Bei Stiftungen in Deutschland und speziell in Berlin gibt es noch Luft nach oben. Von den rund 21.000 rechtsfähigen Stiftungen in Deutschland sind gerade mal 900 in Berlin ansässig. Dabei hat die Hauptstadt sehr stark zugelegt. Rund 30 neue kommen jährlich hinzu, berichtet Stefan Engelniederhammer. Der gebürtige Augsburger, der seit 1990 in Berlin lebt und an der FU Politikwissenschaften studiert hat, ist seit 2002 für die Agentur Kaiserwetter tätig. Seit 2012 ist er ehrenamtlicher Geschäftsführer der Berliner Stiftungswoche gGmbH. Er sieht das gesteigerte Interesse für Stiftungen u. a. als eine bewusste Gegenreaktion zur immer schnelllebiger erscheinenden Zeit. „Stiftungen als langfristige Organisationsform gewinnen da an Charme! Eine Stiftung ist mehr oder weniger unauflöslich.“ Wer mit einer eigenen Stiftung liebäugelt, kann sich beispielsweise beim Bundesverband Deutscher Stiftungen beraten lassen. In der Größenordnung bis 50.000 Euro sind eher Zustiftungen zu empfehlen. Und wer sich als Stiftung an der Stiftungswoche beteiligen möchte, muss nur wenige Anforderungen erfüllen: entweder in Berlin oder im Umland ansässig sein, oder hier selbst Projekte unterhalten oder fördern.

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