Das Romanische Café

Willkommen im Romanischen Café – Die Ausstellung im Europa Center auf historischem Grund und Boden

Hierher kamen alle: Dichter, Maler, Musiker, Schauspieler, Sänger, Journalisten, Kritiker … – die Größen ihrer Zeit und die, die dazu gehören wollten. Das Romanische Café war das bekannteste literarische Kaffeehaus in Berlin – der Place to be in den wilden 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Am historischen Standort im Europa Center führt eine Pop-Up-Ausstellung in ein Café, das längst ein Mythos ist.

Wie die Seiten eines Buches öffnen sich die Kapitel der Geschichte des Romanischen Cafés, das zu Beginn der 1900er Jahre östlich der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (heute Standort des Europa Centers) eröffnet wurde. Das Gebäude entwarf der Architekt Franz Schwechten, von dem auch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und das Empfangsgebäude des Anhalter Bahnhofs stammten. Seine Verwurzelung in der romanischen Baukunst seiner rheinischen Heimat ist unverkennbar. Wer die Ausstellung betritt, erhält eine Ansichtskarte mit der historischen Abbildung des Gebäudes, kann einen Blick auf die Umgebung der Gedächtniskirche damals und heute werfen und an einem Originaltisch Platz nehmen. Und schon wird aus dem Besucher ein Gast, der in eine Zeit eintauchen kann, in der Charleston getanzt wurde, die Zöpfe der Frauen fielen und die Berliner Nächte wild waren – ein Erlebnisraum, der auch ein Stück Berliner Caféhaus-Tradition erzählt.

Katja Baumeister-Frenzel, deren Initiative und Hartnäckigkeit die Ausstellung zu verdanken ist, am originalen Caféhaus-Tisch. Fotos: Brigitte Menge

Warum wurde eigentlich das Romanische Café zum Hotspot der Intellektuellen dieser Zeit? Die Küche war es jedenfalls nicht, denn die wird in vielen Dokumenten als ziemlich miserabel beschrieben. „Es war ein klassisches Zeitungsleser-Café. Der nationale und internationale Zeitungsmarkt dieser Zeit war riesig und so kam man ins Café und las“, berichtet Kulturwissenschaftlerin Katja Baumeister-Frenzel, deren Initiative und Hartnäckigkeit die Ausstellung zu verdanken ist. Einen Eindruck der damaligen Zeitungslandschaft vermittelt ein Aufsteller mit historischen Zeitungen. „Im sogenannten Neuen Westen, in den Bezirken rund um Ku-Damm und Tauentzienstraße suchten und fanden Kulturschaffende einen Ort abseits des alten unmodern gewordenen Berlins. Hier entstanden Galerien, Theater, Ateliers und Orte des Austauschs. Das Romanische Café wurde für viele Künstler eine Art Zuhause und ein Ort der Arbeit. Im Café wurden Projekte geplant, es wurde geschrieben, gemalt, gedichtet und komponiert.“, so Katja Baumeister-Frenzel. Zu den berühmten Gästen gehörten: Kurt Tucholsky, Mascha Kaléko, Fritzi Massary, Max Schmeling, Friedrich Hollaender, Max Liebermann, Albert Einstein, Joachim Ringelnatz, Gottfried Benn, Leni Riefenstahl, Arnold Schönberg … ein bunt gemischtes Who’s Who der kulturellen Avantgarde der 1920er-Jahre. Schnell stand der Name des Cafés in allen wichtigen Reiseführern dieser Zeit. Das Gesehen-Werden war damals offensichtlich schon so wichtig wie heute. „Das Romanische Café ist der Wartesaal der Talente. Es gibt Leute, die hier seit zwanzig Jahren, Tag für Tag, aufs Talent warten.“ Von Erich Kästner, der damals als Journalist arbeitete und natürlich zu den Gästen des Künstler-Treffpunktes gehörte, stammen die bissigen Worte. Das Gästebuch des Cafés verbrannte wie die gesamte Einrichtung 1943 in einer der Bombennächte des 2. Weltkriegs. Die Ruine des Hauses wurde in den 1950er Jahren abgerissen. In der Ausstellung erzählen Alltagsgegenstände, informative Texte, Zitate, Fotografien, Filmausschnitte und eine 3-D-Simulation über die Menschen, ihre Geschichten und die Zeit. Ab 1933 leerten sich die Caféhaus-Tische, die avantgardistischen Künstler – viele davon Juden – gingen ins Exil. Wenn sie die Möglichkeit hatten. Andere wurden verfolgt und eingesperrt.

Eine historische Aufnahme, die „Die wohl schönste Caféhaus-Terrasse Berlins“ zeigt

Eine immens hohe Recherche- und Archivarbeit steckt in dieser Schau. Einige der Exponate werden erstmals gezeigt. „Als ich begann, mich mit dem Romanischen Café zu beschäftigen, ließ es mich nicht mehr los“, erinnert sich Katja Baumeister-Frenzel. Die Tochter eines Hobby-Historikers lernte schon bei Spaziergängen in der Kindheit Orte zu reflektieren: Was sieht man? Was ist verborgen? Über Jahre hinweg sammelte sie die verschiedensten Zeugnisse des Charlottenburger Künstlerlokals, das in vielen Büchern und Artikeln beschrieben und auf Bildern und Fotos festgehalten worden ist. „Je tiefer ich eintauchte, desto größer wurde die Faszination sowie der Entschluss und die Gewissheit, dass es am Originalschauplatz einen Erinnerungsort an diese Zeit und das Café geben sollte. Denn zwischen Wirtschaftswunderbauten und der derzeitigen Verdichtung der Stadt, ist nicht mehr viel zu sehen von diesem aufregenden Kapitel rund um die Gedächtniskirche, das auch heute noch so fasziniert“, so die Kulturwissenschaftlerin. Mit finanzieller Unterstützung vom Bund sowie einem Team von Expertinnen und Experten der Zeit und Berlins nahm das Ausstellungsprojekt bereits Konturen an, lange bevor ein Ort gefunden wurde. „Wir sind sehr glücklich, dass wir nun im Europa Center, am Originalschauplatz, die Ausstellung zeigen können“, bekennt Katja Baumeister-Frenzel. Das Echo hat das Team mehr als nur überrascht. In den ersten sechs Wochen der Schau kamen über 8000 Besucher – manche ganz zufällig, andere zielstrebig, denn die Erfolgsserie „Babylon Berlin“ oder Florian Illies Buch „Liebe in der Zeit des Hasses“ haben nicht nur Interesse an der Epoche einer heraufziehenden Katastrophe geweckt, sondern offenbaren Parallelen zu gegenwärtigen Ereignissen. „Ich hätte nie gedacht, dass die Themen der Ausstellung, wie Freiheit und Demokratie, Antisemitismus und Ausgrenzung die Tagespolitik heute wieder so bestimmen würden. Gerade auch deswegen ist die Ausstellung so aktuell und plötzlich ein ganz wichtiger Baustein in der Erinnerungslandschaft Berlins“, bringt es Katja Baumeister-Frenzel auf den Punkt.

Geplant ist, die Ausstellung bis zum 30. Juni im Europa Center zu zeigen. Der Eintritt ist frei. Und danach? Das Ausstellungs-Macher-Kollektiv sowie das Europa Center würden gerne verlängern, aber das ist ohne finanzielle Unterstützung nicht realisierbar. Schade, beginnt doch dann die Touristen-Hochzeit in der Stadt, von deren Geschichte hier ein so spannendes Kapitel anschaulich erzählt wird.

Bis zum 30. Juni 2024 im Europa Center,
Tauentzienstraße 9-12, 10789 Berlin, Erdgeschoss
Täglich geöffnet von 12–19 Uhr (Dienstags geschlossen)
www.romanisches-cafe.berlin

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