Auf ein Wort mit Stephan Schwarz

Im Januar stellte der neue Senator für Wirtschaft, Energie und Betriebe in Berlin sein 100-Tage-Programm vor. Das Hauptziel: die richtigen Rahmenbedingungen für Wirtschaftswachstum, Innovationen und Investitionen für Unternehmen zu schaffen. Auch möchte er den Klimaschutz voranbringen, so dass sich Ressourcenverbrauch und wirtschaftliches Wachstum weiter entkoppeln. Die 100 Tage sind Ende April vorbei. Anfang März trafen wir Stephan Schwarz zum Interview.

Beim Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen stimmten 59,1 Prozent der Wähler für eine Enteignung. Ein heikles Thema für einen Wirtschaftssenator, denn diese Debatte mache es sicher schwieriger, Investitionen in die Stadt zu locken. Wie gehen Sie dieses Problem an?

Der Respekt vor dem Ergebnis des Volksentscheids vom 26. September 2021 gebietet einen sorgsamen Umgang mit dem Thema. Dies wird im Senat insgesamt so gesehen. In den Richtlinien der Regierungspolitik ist festgelegt, dass eine Expertenkommission zur Prüfung der Umsetzung des Volksbegehrens eingesetzt wird. In einem ersten Schritt soll die Kommission die Verfassungskonformität einer Vergesellschaftung, wie im Volksentscheid vorgesehen, untersuchen. In einem zweiten Schritt werden wohnungswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Aspekte berücksichtigt und entsprechende Empfehlungen an den Senat erarbeitet. Auf Basis der Empfehlungen der Expertenkommission wird der Senat eine abschließende Entscheidung treffen. Am Ende dieses Weges werden alle Beteiligten klüger sein als heute und ich bin zuversichtlich, dass ein die Stadtgesellschaft einendes und rechtssicheres Ergebnis erzielt wird.

Die Pandemie hat Branchen wie Gastronomie, Hotellerie, Tourismus, Kongress- und Veranstaltungswirtschaft sowie den Einzelhandel besonders gebeutelt. Wie soll der Neustart der Wirtschaft gelingen?


Die Branchen wünschen sich von der Politik eine Öffnungsperspektive, auch über den Sommer hinaus. Das entnehme ich den Gesprächen mit den Vertretern der Wirtschaft deutlich. Für die baldige Öffnung und den Neustart bereiten wir zum einen finanzielle Förderungen in Form von Zuschüssen vor und zum anderen Projekte, die Berlin wieder ins Blickfeld rücken, die Unternehmen indirekt entlasten und zur Ankurbelung des Geschäfts beitragen.

Startups, auf die Berlin besonders stolz ist, weil sie international Talente anziehen und Arbeitsplätze schaffen, wollen Sie *positiv begleiten“. Was bedeutet das?


Gemeinsam mit den Stakeholdern (Teilhabern, Anm. d. Red.) des Berliner Startup Ökosystems werden wir ein neue Startup Agenda für Berlin auf den Weg bringen, in der wir die wichtigsten Handlungsfelder identifizieren und Maßnahmen ableiten, um die beeindruckende Erfolgsgeschichte Berlins als deutsche Startup-Hauptstadt fortzuschreiben. Eckpunkte der Agenda werde ich als Teil des 100-Tage-Programms gemeinsam mit den wichtigsten Akteuren vorstellen.

Eines Ihrer Ziele ist es, den Klimaschutz für Unternehmen zu erleichtern. In einer Zeit, in der gerade die Energiepreise in die Höhe klettern, bedeutet das weitere zusätzliche Kosten, z. B. für Umbauarbeiten, um die Energieeffizienz zu erhöhen. Wie vermitteln Sie das den Betrieben?


Energieeffizienz kann hier eine Lösung sein. Denn jede eingesparte KWh ist nicht nur gut für den Klimaschutz, sondern bedeutet auch eine finanzielle Einsparung bei den Unternehmen. Deswegen rechnen sich Investitionen in Energieeffizienz in den meisten Fällen- vor allem bei steigenden Energiepreisen. Mit unserer neuen Koordinierungsstelle für Energieeffizienz und Klimaschutz im Betrieb, kurz KEK, setzen wir genau da an. Wir beraten kostenfrei und neutral dabei, genau die Investitionen zu identifizieren, die zu einer Win-Win-Situation für das Unternehmen und den Klimaschutz führen.

Die Digitalwirtschaft sei einer der Hauptwachstumstreiber der Stadt. Jeder sechste neue Job entsteht in diesem Bereich. Wie unterstützt der Senat die Digitalisierung?


Zum einen schaffen wir einen fruchtbaren Boden für Innovationen und ein starkes Ökosystem. Zum anderen ist es uns wichtig, den Transfer in die Wirtschaft zu erleichtern und der Szene Sichtbarkeit zu verleihen. Zusammen mit Berlin Partner und dem Land Brandenburg unterstützen wir im Rahmen der Clusterpolitik die Vernetzung der Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft, um starke Tech-Ökosysteme zu etablieren. Zudem fördern und bezuschussen wir die Umsetzung von Digitalprojekten u. a. mit Förderprogrammen wie ProFIT und der Digitalprämie und investieren mit IBB Ventures in Tech-Anwendungen und skalierbare Geschäftsmodelle.

Wo sehen Sie Berlin im Vergleich mit anderen Bundesländern wie z.B. Brandenburg?


Zunächst: Wir betrachten Brandenburg nicht als Wettbewerber, sondern als Partner in der gemeinsamen Hauptstadtregion, wobei beide Partner ihre spezifischen Stärken einbringen. Darüber hinaus steht Berlin im Vergleich mit anderen Bundesländern tatsächlich besser da als noch vor einigen Jahren. Die Wirtschaft ist über eine Reihe von Jahren über dem Bundesdurchschnitt gewachsen, beim Wachstum der Zahl der Arbeitsplätze liegt Berlin seit Jahren an der Spitze der Bundesländer. Dies hat dazu geführt, dass wir beim BIP pro Kopf und auch bei den Einkommen inzwischen aufgeholt haben. Unser Ziel ist es, die Stärken der Stadt im Bereich Wissenschaft und Forschung für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze nutzen. Dies tun wir gemeinsam mit dem Land Brandenburg, z. B. mit der gemeinsamen Innovationsstrategie InnoBB.

16 Jahre lang waren Sie Präsident der Berliner Handwerkskammer. Schlägt Ihr Herz noch für das Handwerk?


Mein Herz wird immer für das Handwerk schlagen. Ich habe über lange Jahre ein handwerkliches Unternehmen geführt und mich im Ehrenamt für das Handwerk eingesetzt und bin dankbar, dass ich der Handwerkskammer als Präsident dienen konnte. Beides hat mich geprägt und mir das Rüstzeug gegeben, heute als Wirtschaftssenator Berlins Interessen in der Politik zu vertreten. Mein Horizont ist der Wirtschaftsstandort insgesamt, meine Wurzeln bleiben im Handwerk.

Senator Stephan Schwarz, Foto: Pressestelle der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe

Das Interview führte Gerald Backhaus

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