Engagement sichtbar machen

Fotos: BSW 2018

//GESPONSERT – Stiftungen gewinnen immer mehr an Bedeutung in Deutschland. Berlin ist zwar noch lange nicht die Stifterhauptstadt, doch das könnte sich in Zukunft ändern. 2019 findet die Berliner Stiftungswoche bereits zum zehnten Mal statt. Vom 2. bis zum 12. April 2019 öffnen rund 100 Stiftungen dazu ihre Pforten und bieten mit über 150 Veranstaltungen, Ausstellungen und Projekten Einblicke in ihre vielfältigen Tätigkeitsspektren.

Unter dem Motto „Abenteuer Oper“ bringt ein generationenübergreifendes Projekt der Komischen Oper Berlin und der Stiftung Berliner Leben seit nunmehr zehn Jahren Szenen der Kinderopern auf Schulbühnen. Zuletzt geschah das bei Projektwochen im Februar und März 2019 mit Workshops und der Vorstellung „Die Bremer Stadtmusikanten“ in der Komischen Oper und einem Nachgespräch mit Schülerinnen und Schülern. „Abenteuer Oper“ funktioniert so: Grundschüler erarbeiten mit Unterstützung von Senioren aus strukturschwachen Kiezen in Spandau und Kreuzberg während einer fünftägigen Projektwoche eine eigene Schulaufführung. In diesem Jahr war das die deutsch-türkische Kinderoper „Die Bremer Stadtmusikanten – Bremen Mızıkacıları“. Die Vorbereitungen auf die Schulaufführung vor den Mitschülern und Familien bot Raum für persönliche Interpretationen des klassischen Märchenstoffes und ermutigte die beteiligten Kinder, ihren eigenen Ausdruck für die selbst ausgewählten Charaktere zu finden.

Daniela Schadt, Schirmherrin der Berliner Stiftungswoche

Krönender Abschluss der Projektwochen ist während der Stiftungswoche im April der Besuch der Aufführung mit dem Ensemble der Komischen Oper. Hier erleben die Kinder und Senioren zusammen mit ihren Familien, wie die Profis die Charaktere und Themen auf die Bühne bringen. „Abenteuer Oper“ ist ein Leuchtturmprojekt für die Möglichkeit, Menschen durch kulturelle Aktivität miteinander zu verbinden. „Am kulturellen Reichtum zu partizipieren ist ein zwingendes Element, um ein Teil der Stadtgesellschaft zu sein“, so Dr. Hans-Michael Brey, Vorstand der Stiftung Berliner Leben. Mit der Gründung ihrer gemeinnützigen Stiftung Berliner Leben übernahm die Gewobag als städtisches Wohnungsunternehmen im Jahr 2013 Verantwortung für die kontinuierliche und nachhaltige Entwicklung in vielen Quartieren. Im Zentrum der Stiftungsarbeit steht die Förderung gleichberechtigter Partizipation und interkultureller Integration. Die Berliner Leben fördert Kunst, Kultur und Sport sowie Projekte für Jugendliche und Senioren. Sie konzipiert und setzt eigene Projekte um und unterstützt zudem Projekte und Initiativen. Die Stiftung Berliner Leben ist Mitglied der Berliner Stiftungsrunde, eines Netzwerks aus mehr als 30 sehr unterschiedlichen Stiftungen und stiftungsnahen Institutionen, die aus Berlin kommen oder hier eine Repräsentanz haben.

Wer stiftet, fühlt mit, denkt mit, übernimmt Verantwortung und sieht weiter.

Im April steht die Hauptstadt wieder ganz im Zeichen ihrer Stiftungen. Dann wird sichtbar, welchen hohen Anteil der Stiftungsbereich am zivilgesellschaftlichen Engagement in Berlin besitzt, so Stefan Engelniederhammer von der Berliner Stiftungswoche. Ohne Stiftungen wäre unsere Gesellschaft blasser, kälter und ärmer, weil Stiftungen Ausdruck gelebter Vielfalt und Solidarität sind. Sie verkörpern den Ideenreichtum vieler Menschen, basieren auf Empathie-Fähigkeit und sind ein untrügliches Zeichen für die Bereitschaft sich einzusetzen. „Wer stiftet, fühlt mit, denkt mit, übernimmt Verantwortung und sieht weiter. Denn Stifterinnen und Stifter prägen durch ihr langfristiges Tun die Zukunft. Dennoch sind sie häufig nicht sichtbar, betrachten die Bürger ihren gemeinwohlorientierten Einsatz als selbstverständlich.“ Die Berliner Stiftungswoche hebt das Engagement der hier tätigen Stiftungen hervor. Sie möchte neugierig machen sowie zum Nachdenken und zum Nachahmen anregen, indem sie Stiftungen eine Bühne gibt, auf der sie ihre Projekte präsentieren können. Und nicht nur das, sie bietet auch eine Plattform für den gemeinsamen Dialog. Sie zeigt, wie lebendig eine pluralistische Gesellschaft sein kann, und ermöglicht Kooperationen von Stiftungen untereinander. Darüber hinaus ist die Berliner Stiftungswoche ein großer Workshop, bei dem alle voneinander lernen können. Vor allem aber ist die Veranstaltungsreihe auch ein Beitrag zu mehr Transparenz im Stiftungswesen. Die beteiligten Stiftungen öffnen ihre Türen, zeigen, was sie tun, und stellen sich den Fragen der Öffentlichkeit.

Oder warum die Gesellschaft eine neue Gerechtigkeitsdebatte verdient!

„Arm, aber sexy“ ist Berlin nicht mehr, sondern in vielen Gegenden ziemlich teuer. Was passiert mit einer Stadt, wenn die Kosten immer weiter steigen und sich immer weniger Normalverdiener das Leben im Zentrum leisten können, kann man in London oder Paris beobachten. Wie verändert es das gesellschaftliche Miteinander, wenn Krankenschwestern und Busfahrer nur noch schwer in den Berliner Innenstadtbezirken eine bezahlbare Wohnung finden und dafür ihren Kiez verlassen und an den Stadtrand ziehen müssen? Laut einer Studie im Auftrag des Sozialverbands Deutschland müssen Geringverdiener etwa die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aufwenden. Die Mietenfrage ist die aktuelle soziale Frage, doch betrifft das Problem nicht nur den eigenen, privaten Wohnraum. Durch steigende Gewerbemieten findet eine „Entmischung“ in ganzen Quartieren statt, was zur Folge hat, dass immer mehr kostengünstige Angebote für Kultur, Sport und Freizeitangebote verschwinden. Wem „gehören“ der Kiez und die kollektiven Räume? Wie kann gesellschaftliche und politische Teilhabe weiter funktionieren, wenn immer weniger an der Stadtgesellschaft direkt teilhaben? Die Entwicklung ruft nach einer neuen Gerechtigkeitsdebatte. Die Antworten werden nicht allein von Politik und Verwaltung gegeben. Gefragt ist ein aktives Einmischen der Zivilgesellschaft, um sich die Verantwortung für diese zentralen Weichenstellungen zu teilen. Die Berliner Stiftungswoche wird deshalb Fragen wie diese stellen: Wollen wir in einem Gemeinwesen leben, in dem Ellenbogen und Egoismus immer wichtiger werden? Was geschieht mit den Menschen im ländlichen Raum, wenn Takt und Tempo immer mehr aus der Stadt vorgegeben werden? Ist in Zukunft noch Platz für Schwächere in der Gesellschaft, und bleiben die Städte noch der Raum für soziale Experimente? Während der Stiftungswoche werden diese und andere Fragen ausgelotet, Beispiele gelungener Stiftungsarbeit vorgestellt, und die Berliner sind dabei herzlich eingeladen sich einzumischen.

Vom Kinderhospiz bis zu obdachlosen Frauen

Stefan Engelniederhammer und sein Team von der Berliner Stiftungswoche gGmbH organisieren die Veranstaltungsreihe. Ins Leben gerufen wurde der Diskussionskreis Berliner Stiftungsrunde vor zwölf Jahren vom Bundesverband Deutscher Stiftungen und der Stiftung Zukunft Berlin. Damals entstand die Idee zu der Stiftungswoche, die dann 2010 erstmals stattfand. Mit ihren Ressourcen, Ideen und Erfahrungen sowie ihrem finanziellen Beitrag trägt die Berliner Stiftungsrunde die Stiftungswoche. Das Format inspirierte inzwischen auch andere Städte zu ähnlichen Veranstaltungen. Neben großen namhaften Unternehmensstiftungen wie Allianz Kulturstiftung, Robert Bosch Stiftung und BMW Foundation Herbert Quandt finden sich im Kreis der Stiftungsrunde auch kleinere Stiftungen, die ganz besonders zum Profil der Runde beitragen, so wie die Björn Schulz Stiftung. Diese betreibt unter anderem das Kinderhospiz Sonnenhof in Pankow. Mit 227 Jahren eine der ältesten Berliner Stiftungen ist die Koepjohann’sche Stiftung eines kinderlosen Reeder-Paares am Schiffbauerdamm, die sich früher um „Witwen und Waisen der Spandauer Vorstadt“ und heute um obdachlose Frauen kümmert. Sie ist eines der jüngsten Mitglieder der Berliner Stiftungsrunde. Ein weiterer wichtiger Akteur ist das Evangelische Johannesstift Spandau mit seiner vielfältigen Struktur, die als eine der größten diakonischen Einrichtungen in Berlin und Brandenburg von der Wiege bis zur Bahre gewissermaßen alle Lebensphasen abdeckt. Jedes Jahr werden bei der Stiftungswoche solche engagierten Partner zusammengeführt und motiviert, auch gemeinsam Projekte zu entwickeln und zu verwirklichen. Denn Berlin, einstmals Hauptstadt der Stifter und der Stiftungen, hat hier durchaus noch Nachholbedarf. Erst seit 1989/90 sind die Bedingungen für den Aufbau einer produktiven Bürgergesellschaft wieder in der ganzen Stadt gegeben. Die Stiftungswoche will diese Entwicklung im Sinne einer toleranten und pluralistischen Gesellschaft weiter befördern.

Stiftungen direkt vor der eigenen Haustür anschauen

Die Vernetzung untereinander ist eines der Hauptziele der Stiftungswoche. Und das funktioniert so, dass die großen Stiftungen den kleineren eine Plattform bieten, um sich gegenseitig besser kennenzulernen und auszutauschen. Der zweite Grundgedanke ist, das große Engagement der Stiftungen besser für die Allgemeinheit sichtbar zu machen. Also Scheinwerfer an und Türen auf, um die Berliner einzuladen, sich auch mal die Stiftungen im eigenen Stadtteil anzuschauen. Die Stiftungswoche verfolgt ein dezentrales Prinzip, was bedeutet, dass jede Stiftung ihre eigenen Veranstaltungen in das Programm einbringt. Diese reichen von einem Tag der offenen Tür über Podiumsveranstaltungen, Filmvorführungen und Konzerte bis hin zu Kinderfesten. Die Zentralund Landesbibliothek Berlin wird 2019 zum Beispiel ein buntes Bibliotheksfest zum Internationalen Kinderbuchtag veranstalten. Im Rahmen der Kooperation „Kiez meets Museum“ der Staatlichen Museen und der Stiftung Berliner Leben, bei der verschiedene Projekte für Kinder und Jugendliche durchgeführt und die Teilhabe junger Menschen am kulturellen Leben der Stadt gestärkt werden, gibt es ein besonderes Projekt: Unter Einbeziehung des von Jugendlichen erstellten Audioguides werden in einem geführten Rundgang im Museum für Gegenwart im Hamburger Bahnhof Kunstwerke vorgestellt und diskutiert. Bei den „querstadtein-Stadtführungen“ von Obdachlosen – organisiert von der Caritas Gemeinschaftsstiftung im Erzbistum Berlin – geht es um deren individuelle Perspektiven auf Berlin. Hier ergreifen Menschen das Wort, über die sonst eher geredet wird. Sie laden ein zum Dialog und zu einem anderen Blick auf die Stadt. Naturliebhaber wiederum kommen bei einer exklusiven Führung inmitten einer besonderen Landschaft mit der Kamera ganz auf ihre Kosten. Unmittelbar vor den Toren Berlins hat die Heinz Sielmann Stiftung auf dem früheren Truppenübungsplatz Döberitz fast ausgestorbene Wildtierarten angesiedelt.

Inspiriert waren die Erfinder der Stiftungsrunde von der „Langen Nacht der Museen“, die auch das Prinzip verfolgt, dass die Menschen dahin gehen, wo die Dinge präsentiert werden. Und weil eine Woche dafür nicht auszureichen scheint, wurden aus einer Nacht elf Tage. Daniela Schadt übernahm 2018 nach den Jahren mit Christina Rau das Amt der Schirmherrin und war im vergangenen Jahr bei vielen Veranstaltungen dabei. Höhepunkte der Stiftungswoche 2018 waren neben dem Gottesdienst in der Gedächtniskirche drei zentrale Veranstaltungen, die das Büro der Berliner Stiftungswoche organisierte. In diesem Jahr trägt die Auftaktveranstaltung am 2. April 2019 den etwas provokanten Titel „Wem gehört die Stadt?“ Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden dann die Fragen zur Entwicklung der Städte, zu den Themen der sozialen Gerechtigkeit und neuen Formen des politischen Ausgleichs diskutieren. „Unsere Flaggschiff-Veranstaltung ist in jedem Jahr die große Berliner Stiftungsrede, für die wir immer eine Persönlichkeit bitten, sich mit unserem Schwerpunktthema auseinanderzusetzen“, sagte Stefan Engelniederhammer. Diese Rede wird am 4. April 2019 im Allianz Forum am Pariser Platz der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck halten und darin über das vielfältige Engagement von Stiftungen sprechen.

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