Diese Hausmannskost ist ein Hit

Christel Keller Besitzerin des „Café & Restaurant Sonnenschein“. Foto: Inka Thaysen

Original Berliner Küche mit Rezepten von der eigenen Oma – das ist ein Teil des Erfolgsgeheimnisses von Christel Keller, die in ihrem „Café & Restaurant Sonnenschein“ an der Schmargendorfer Straße in Friedenau für Begeisterung bei ihren vielen Stammgästen sorgt.

„Das gibt es nämlich nicht mehr oft in der Stadt!“, erklärt die Wirtin, die trotz ihrer 71 Jahre noch täglich den Kochlöffel schwingt. Ihre Passion beschert ihr nicht nur eine umfangreiche Stammkundschaft. Gern schauen auch Tourist*innen rein: „Einmal kam hier eine ganze Busladung mit Holländern vorgefahren, alle wollten Kaffee und Kuchen … Da haben wir einen Teil einfach draußen bewirtet.“ Süße Bäckerei ist heute nur noch ein Teilgeschäft im „Sonnenschein“. Längst ist das Herzhafte Hauptakteur. Dabei reicht Christel Keller keine feste Speisekarte aus. Stattdessen hängt eine Schiefertafel an der Wand, auf der Gäste ihre Wünsche für die kommende Zeit eintragen. Das können auch schon mal Paella oder Irish Stew sein, schließlich finden im „Sonnenschein“ sogar Themenabende statt. Griechisch, Italienisch, Bayerisch … All das und mehr war schon da, „und dann wird hier bis tief in die Nacht getanzt!“ Inklusive Live-Folkmusik oder auch Schuhplattler-Versuchen, je nach Motto. Die Räume und der Service sind für Events auch mietbar; besonders beeindruckt hat Keller etwa eine syrische Hochzeit, die hier stattfand „mit ganz viel Glitzer und Bling-Bling.“ Eine Kundin steckt den Kopf zur Tür herein: „Wissen Sie schon, was Sie morgen machen?“ Die Köchin muss nicht lange nachdenken: „Bratwurst und Rotkohl. Und Kartoffelpuffer mit Apfelmus. Aber wenn das nicht passt, wurschteln wir was aus dem Kühlschrank. Kriegen wir schon hin.“

Am beliebtesten sind im „Sonnenschein“ die besonders urig-lokalen Spezialitäten: Rouladen vom Pferd, amtliche Schnitzel – und natürlich jenes Gericht, dem Christel Keller einen Gutteil ihrer heutigen Bekanntheit verdankt: 2016 war die Redaktion einer TV-Sendung auf ihr Restaurant aufmerksam geworden. Fernsehkoch Andreas C. Studa ging seinerzeit der Frage nach, wo die besten Königsberger Klopse zubereitet würden. Das „Sonnenschein“ bedachte die Jury schließlich mit dem zweiten Platz. „Ich musste mich nur einem Gourmetkoch geschlagen geben, da bin ich sehr stolz drauf als ursprüngliche Hobbyköchin!“, erinnert sich Christel Keller und lacht: „Der Dreh war ein echtes Erlebnis. Meine Küche ist doch so klein, und alle haben sich da reingequetscht.“ Studa riet sie: „Ziehen Sie bloß den Kopf ein!“ Die Autogrammkarte hängt heute noch am Eingang, und auf einem Straßenaufsteller wird an den Klops-Erfolg erinnert. Dabei hat die 71-Jährige großartige Werbung gar nicht nötig, so gut besucht ist sie. „Lieferdienste rennen mir die Bude ein, sie würden mein Essen gern ins Programm nehmen, aber das schaffe ich nicht auch noch.“ Die 71-Jährige betreibt das Restaurant nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, sondern aus Spaß an der Freude. „Deshalb kann ich auch die Preise niedrig halten. Das ist mir wichtig, denn hier in der Gegend gibt es wirklich viele Menschen, die den Groschen dreimal umdrehen müssen.“

Für ihre Gäste hat die Wirtin nicht nur ein großes Herz, sondern auch ein offenes Ohr, ist im Kiez Anlaufstelle für manche Seele, die etwas Balsam braucht. Und wird für all das sehr geschätzt. Der Rückhalt allerdings sei nicht von Anfang an da gewesen: Als sie 2008 eröffnete, sei der neue Laden zunächst durchaus skeptisch beäugt worden. Das war für Christel Keller gar nicht so einfach, hatte sie doch mit dem Start in der Gastronomie viel aufs Spiel gesetzt: Von einem Tag auf den nächsten hatte sie damals ihre Stelle als OP-Schwester in Tempelhof gekündigt und die Räume in Friedenau angemietet. Ein Erbe aus der Klinik hat sie dabei mitgenommen: „Von den Patienten wurde ich immer ‚Sonnenschein‘ gerufen. Als ich einen Namen für mein künftiges Café suchte, schrieb ich eine Liste mit Ideen, hielt mir die Augen zu und zeigte per Zufallsprinzip mit dem Finger auf eines der Worte. Das wurde es dann. Und es war genau die richtige Entscheidung!“ Heute zieht die Spandauerin mit ihrer Leidenschaft und Power noch meist 17-Stunden-Tage durch: mit Großmarkt in der Früh und Bewirtung bis spät in die Nacht. „Zum Glück habe ich eine sehr tolerante Familie, vor allem mein Mann bringt viel Verständnis auf.“ 15 Jahre hatte die Gastronomin keinen Urlaub. Diesen März ist allerdings eine Zwangspause fällig, gesundheitlich bedingt. Doch lange ausfallen will Christel Keller nicht, zu Ostern möchte sie für ihre Gäste da sein … und überhaupt: „Wenn der Körper mitmacht, würde ich am liebsten noch arbeiten, bis ich mindestens 80 bin.“

www.cafe-sonnenschein-berlin.de

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