70 Jahre Corvette

Chevrolet Corvette, neben dem Ford Mustang, wohl das bekannteste Auto aus den USA. Aber was
heißt denn hier Auto. Corvette steht für V8 Motoren, jede Menge Leistung und noch viel mehr Hubraum. Mittlerweile gibt es den Klassiker in der achten Generation.

Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte der Motorsport einen Boom. Auch in den USA. Zwar gab es die typischen amerikanischen Dickschiffe, nur Sportwagen waren rar gesät. Die betuchtere Klientel wich auf europäische Modelle aus. Ferrari, Aston Martin oder Jaguar machten das Rennen, vor allem der Jaguar XK 120. Zu dessen Popularität trug bei, dass er sich bei der Hollywood Prominenz großer Beliebtheit erfreute. Jener Jaguar inspirierte Harley Earl, damals Chefdesigner bei General Motors, einen offenen Zweisitzer auf den Markt zu bringen. Als im Juni 1952 die Erlaubnis von GM Boss Harlow Curtice eintraf, machte sich ein Team rund um den Chevrolet Chefingenieur an die Arbeit. Die ganze Entwicklung lief unter dem Codenamen „Opel“. Da Stahl in Zeiten des Korea-Kriegs Mangelware war, entschied man sich für eine Karosserie aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Was man heute angesichts der Hubraumauswüchse kaum glauben kann. Es gab damals keine großen Motoren. Daher verpasste man der Corvette einen 150 PS starken Sechszylinder. Es sollte noch zwei Jahre dauern, bis 1955 der Small-Block V8 Einzug hielt.

Anlässlich der GM Motorama in New York wurde am 17. Januar 1953 die Corvette der Öffentlichkeit präsentiert. Trotz Fiberglas war die C1 ein Schwergewicht, deren 150 Pferdestärken nicht wirklich ausreichten, um den Wagen auf Touren zu bringen. Gerade einmal knapp über 160 Stundenkilometer schaffte die C1. Heute Alltag setzte man auf Bauteile aus bestehenden Modellen. Allerdings nicht unbedingt zum Vorteil des Wagens. Das Urteil über den Wagen war vernichtend. Auch die Verkaufszahlen stagnierten. Im Jahr 1954 rollten nur 3.640 Corvette vom Band. Zum Vergleich. Der als Konkurrent eingestufte Ford Thunderbird schaffte 3.500. In zehn Tagen. Zu diesem Zeitpunkt kam Zora Arkus-Duntov ins Spiel, Ex-Rennfahrer und so etwas wie der Vater der Corvette. Der Belgier mit russischen Wurzeln machte sich 1957 für den Small-Block V8 stark. Es sollte der Wendepunkt für den Wagen werden und ihm, ähnlich wie dem Porsche 911, eine unglaublich lange Produktionszeit bescheren. Arkus-Duntov brachte seine Erfahrungen als Rennfahrer mit ein. Die Corvette erhielt Scheibenbremsen, Saugrohreinspritzung und schärfere Nockenwellen. Drei Jahre nach der Premiere war man wieder im New Yorker Waldorf Astoria zu Gast. Der neue 4,3 Liter V8 leistete nun 195 PS, später bis zu 240 PS. Das alles wurde 1957 noch einmal durch ein neues Triebwerk getoppt, welches nun 290 Pferdestärken mobilisierte. Das reichte zu Sprintwerten von 6,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Bis zu 232 km/h war die letzte Generation der C1 schnell. Allein 1958 wurden 9.000 Fahrzeuge abgesetzt. Zur Popularität trugen Rennsporterfolge wie in Le Mans bei. Bis 1962, immer mal wieder überarbeitet und optisch aufgefrischt, wurde die C1 gebaut.

Der Stachelrochen toppt alles

Im Herbst 1962 erschien die Nachfolgeversion C2. Im Gegensatz zum Vorgänger wurde die „Sting Ray“ nicht nur als Roadster, sondern auch als Coupé angeboten. Das sollte zum Erfolg beitragen. Insgesamt wurden in fünf Jahren rund 118.000 Exemplare, darunter über 45.000 Coupés gebaut. Markenzeichen waren neben den drei „Kiemen“ die Klappscheinwerfer, welche für die nächsten 40 Jahre zum Markenzeichen der Corvette werden sollten. Für das markante Design war Bill Mitchell verantwortlich, dem die Idee dazu angeblich beim Hochseefischen gekommen sein soll. Daher auch der Name „Sting Ray – zu Deutsch Stachelrochen“. Heute besonders begehrt, die Version mit dem Split-Window. Damals setzte sich Mitchell gegen die Meinung seiner Ingenieure durch und schuf einen Designklassiker. Allerdings sollten die Techniker rechtbehalten. Das Heckfenster erwies sich als zu aufwendig in der Produktion und man hatte eine schlechte Sicht nach hinten. Nur 10.600 Exemplare wurden gebaut. Technisch gesehen, stach die Einzelradaufhängung heraus. Zudem spendierte man der C2 eine direktere Lenkung. Dagegen verzichtete man vorerst auf Scheibenbremsen, gerade gegenüber der europäischen Konkurrenz ein Nachteil. Auch die Schaltung, erst eine Dreistufen-, später eine Vierstufen-Automatik wurde dem sportlichen Charakter nicht gerecht. Als Triebwerk diente weiter der bekannte Small-Block aus der C1, nun mit bis zu 375 PS. Ab dem Jahr 1965 wurde erstmals der legendäre Big-Block, der dank 7-Liter Hubraum 425 Pferdestärken erreichte. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 250 km/h, den Spurt von 0 auf 100 schaffte die Corvette nun in fünf Sekunden. Wie bei der C1 setzte man zu Marketingzwecken auf Sporterfolge. So gewann eine Corvette das 12 Stundenrennen in Sebring.

Über eine halbe Million

War die C2 schon ein Verkaufserfolg, toppte das Nachfolgemodell das locker. Unglaubliche 15 Jahre wurde die C3 von 1967 bis 1982 gebaut. 542.861 Exemplare verließen das Werk. Äußerlich erinnerte der Wagen an das 1965 vorgestellte Konzeptfahrzeug „Mako-Shark II“. Die Karosserie wuchs um 19 Zentimeter auf 4,64 Meter. Insgesamt wirkte das Nachfolgemodell damit optisch mächtiger, was nicht zuletzt den größeren Rädern geschuldet war. Seine Form brachte der Corvette den Spitznamen „Coke Bottle“ ein, weil sie dem Seitenprofil eine Coca-Cola Flasche ähnelte. Eine besondere Neuerung war das sogenannten „T-Top“ – zwei herausnehmbare Dachhälften, wobei ein Mittelsteg verblieb. Katastrophal war dagegen die Verarbeitungsqualität. Technische Mängel machten die C3 in ihrer Anfangszeit zu einem Ärgernis. In der Basisvariante leistete die C3 mit dem aus den Vorgängermodellen bekannten Small-Block bereits 300 PS, während der Big Block mit bis zu 435 Pferdestärken daherkam. Der schöpfte seine PS aus 7,4-Liter Hubraum. Dann kam es Anfang der 70er zum Ölpreisschock. Gestiegene Sicherheitsbestimmungen in den USA taten ihr übriges. Der Corvette wurden die Zähne gezogen. Das Cabrio verschwand Ende 1975 ganz aus dem Programm, die Chrom-Stoßstangen wurden durch in Wagenfarbe lackierte Kunstsoff-Teile ersetzt. Als Resultat verfügte die Basis-Corvette über 200 PS. Selbst die kräftigste Motorenvariante hatte nur noch 270 PS.

Eckig in den 80er

Als im Jahr 1984 die C4 auf den Markt kam, folgte sie den typischen Designmerkmalen der 80er Jahre. Eckige Karosserie, nicht besonders aufregenden und viel Plastik im Innenraum. Insgesamt wurde die Karosserie um 16 Zentimeter gekürzt, wuchs aber fünf Zentimeter in die Breite. Auffällig war das riesige Heckfenster. Überzeugen konnte der Wagen anfangs nicht wirklich, verfügte er in der Basisversion nur über einen 205 PS starken V8. Zumindest fahrdynamisch legte die C4 zu. Das, was eigentlich einen Sportwagen auszeichnete, erzeugte aber viel Missmut. Die Kunden beschwerten sich über die zu harte Federung. Ein „Mangel“, den Chevrolet bei der ersten Modellpflege 1985 behob. Nach zehn Jahren gab es auch wieder ein Cabrio, welches durch die strengen Sicherheitsbestimmungen 5.000 Dollar teurer war als das Coupé. Der Beliebtheit der offenen Variante tat das keinen Abbruch. Zu Beginn der 90er Jahre stieg die Motorleistung wieder an. Am Ende betrug diese 330 PS, während die ZR-1 sogar über 381 Pferdestärken verfügen durfte. Bis zu 290 km/h und von 0 auf 100 in 4,3 Sekunden lauteten die weiteren Leistungsdaten. Am Ende, nach über 358.000 produzierten Autos, waren es sogar 411 PS.

Die Moderne hält Einzug

Als 1997 die C5 Einzug bei den Händlern hielt, zog auch die Moderne ein. Eigentlich war die Einführung der nächsten Modellgeneration bereits für das 40jährige Jubiläum 1993 geplant. Dann für 1995 vorgesehen, erschien die C5 schließlich im Januar 1997. Und wie sie erschien. Im Gegensatz zu den anfälligen und technisch wenig fortschrittlichen Vorgängern war die C5 ein echter Sportwagen, der sich vor der europäischen Konkurrenz nicht verstecken musste. Die fünfte Generation war eine komplette Neukonstruktion, wobei weitaus hochwertigere Materialien verwendet wurden. Nicht zuletzt hatte sich die Verarbeitungsqualität verbessert. An die Vorgänger erinnerten die weiterhin verwendeten Klappscheinwerfer sowie die vier Rückleuchten. Eine Neuerung betraf den 5,7-Liter Motor, der aus einem Leichtmetallgehäuse bestand und anfangs 344 PS leistete. Mit dem 6-Gang Schaltgetriebe gelang der Spurt von 0 auf 100 in nur 4,7 Sekunden, während bei 277 km/h Schluss war. Leistungsstärkste Modell sollte die Z06 werden, die über 385 PS verfügte. Auch bei der Fachpresse kam die neue C5, auch dank völlig überarbeitetem Fahrwerk, äußerst gut an. Im Jahr 1998 wurde die C5 in den USA zum Auto des Jahres gekürt. Dazu heimste die Corvette sportliche Erfolge, wie 2001 und 2002 den Klassensieg in Le Mans, ein.

Als nach 250.000 Exemplaren die Produktion endete, kam mit der C6 im Jahr 2005 ein Nachfolger, der noch besser und noch erfolgreicher werden sollte. Die Corvette war auch auf dem europäischen Markt längst kein Geheimtipp mehr. Es sprach sich schnell herum, dass man mit der Corvette sehr viel Sportwagen für relativ wenig Geld bekommt. Zumindest ver-
glichen mit europäischen Topmarken. Schon ab rund 62.000 Euro konnte man Corvette fahren. Dafür verfügte die C6 über 404 PS, wobei der Hubraum nun sechs Liter betrug. Drei Jahre später wurde beim Facelift der Hubraum auf 6,2 Liter vergrößert. Die Leistung stieg auf 436 PS. Nostalgiker mussten dennoch durchatmen. Die legendären Klappscheinwerfer verschwanden. Als Spitzenmodell wurde wieder eine ZR-1 angeboten. Diese leistete nun 647 PS und 847 Nm Drehmoment – so stark war noch keine Seriencorvette gewesen. Bis zu 330 km/h war die ZR-1 schnell. Über 215.000 Fahrzeuge wurden von der C6 in acht Jahren verkauft. Noch kompromissloser, noch sportlicher präsentierte sich die C7, die ab 2013 auf den Markt kam. Vom Design weitaus aggressiver toppte die C7, dank Aluminium- und Magnesium-Komponenten 49 kg leichter, die Leistungsdaten ihrer Vorgänger locker. In der Basisversion mit 466 PS angeboten, verfügte die nur von 2018 bis 2019 gebaute ZR-1 nun über 765 PS. Bis zu 342 km/h schaffte das Coupé an Topspeed. Im Februar 2020 startete die achte Generation, erstmals mit vor der Hinterachse positioniertem Mittelmotor. Damit wurde eine Idee vom Urvater der Corvette nach über 60 Jahren umgesetzt. Zora Arkus-Duntov hatte schon damals einen Mittelmotor favorisiert, konnte sich aber nicht durchsetzen.

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